Digitale Transformation – so viele falsche Annahmen!
„Wir machen jetzt digitale Transformation! Das wird eine Menge neuer Technik, aber wenn wir die Mitarbeiter mitnehmen, dann wird nach dem Change-Projekt auch alles gut. Dann sind wir digital und haben wieder unsere Ruhe.“
Klingt das bekannt? Vermutlich schon. Immerhin ist das die ausgesprochene (oder unausgesprochene) Herangehensweise vieler Unternehmen. Ist Ihnen aber auch aufgefallen, wie viele Denkfehler in diesem Statement stecken? Die drei wichtigsten Fehler zur Digitalen Transformation sind:
- Es ist ein Projekt
- Es geht um Technik
- Veränderung ist anstrengend und schlimm
1. Fehler: Digitalisierung ist ein Projekt
Ein Projekt, das hat ein klares Ziel, eine Aufgabe und vor allem: Ein Ende. „Bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen heil zum Mond und zurück bringen.“ Na, das war doch mal ein Projekt! Aber die Sache mit der Digitalisierung – das ist nie fertig. Das Internet geht auch nicht mehr weg.
Bei einem Projekt arbeitet man auf ein Ende hin – und wenn es nicht erreicht wird, ist man frustriert. Aber es gibt kein Ende der Digitalisierung. Sie werden weiter jeden Tag etwas essen und Sie werden sich bewegen. Unsere Welt wird jeden Tag ein Stückchen digitaler und unsere Unternehmen auch, ob wir wollen oder nicht. Ein gewisser Autor nannte seinen Digitalisierungs-Ratgeber ganz verwegen „In einem Jahr digital“, aber das ist natürlich Unfug. Sie können in einem Jahr ein ganzes Stück digitaler sein, aber fertig? Fertig sind Sie nie.
Wie Sie es richtig machen
Verabschieden Sie sich von der Idee, digitale Transformation sei eine Reise mit festem Ziel und glücklicher Ankunft. Die Transformation wird unser Dauerzustand, weder schrecklich noch segensbringend – sondern einfach ganz normal. Get used to it!
2. Fehler: Es geht vor allem um Technik
Also gut, natürlich geht es um Technik. Die schnelle technische Entwicklung ist der Motor des heutigen Wandels. Aber wenn Sie ein bestehendes Unternehmen digital transformieren, dann ist Technik Ihre geringste Sorge. Denn erstaunlicherweise fühlen sie die meisten Unternehmen, mit denen ich spreche, den technischen Aspekten durchaus gewachsen.
Schief geht es an zwei Stellen: Bewegung und Tragweite. Die häufigste Frage 2017 war: „Wie bekommen wir unsere Mitarbeiter in Bewegung?“ Es gibt eine Strategie, tolle Tagungen und große Pläne, aber irgendwie bewegt sich fast nix. Und das hat mit der Organisation zu tun, mit den Mitarbeitern und der Kultur Ihrer Firma. Technik? Passt schon.
Das zweite Problem hier ist, dass selbst die motiviertesten Mitarbeiter meist zu kurz denken. Den eigenen Bereich digitalisieren? Prima. Prozesse verbessern, neue Tools, ein wenig Industrie 4.0 und Big Data – das kriegen wir hin. Nur schaut (dank der industriellen Arbeitsteilung) kaum jemand auf das große Ganze. Wozu haben wir diese Prozesse? Können wir nicht ganz anders und effizienter Werte für unsere Kunden schaffen? Gibt es andere Konzepte, Geschäftsmodelle, Partnerschaften, die viel mehr Wert zu geringeren Kosten bieten?
Wie Sie es richtig machen
Sobald Ihnen bewusst ist, dass es um die Menschen, ihre Jobs und die Organisation geht, sind Sie auf dem richtigen Weg. Dann können Sie sich den Herausforderungen da stellen, wo sie auftreten, statt eine technische Lösung einer Organisation aufzuzwingen, die dazu noch gar nicht bereit ist.
Und sorgen Sie dafür, dass Sie gemeinsam weiter als zum Tellerrand schauen. Strategie benötigt Weitblick.
3. Fehler: Veränderung ist anstrengend und schlimm
Natürlich, manche Menschen sind flexibler als andere und wir alle haben es uns in manchen Bereichen gemütlich gemacht. Frauen haben das Wort „Mobiliar“ oft viel besser begriffen und verrücken regelmäßig die Einrichtung. Männer dagegen bewegen Ihre Möbel meist erst wieder wenn sie umziehen. Das ist ja auch in Ordnung, man muss nicht jeden Morgen neu entscheiden, ob man frühstückt oder zur Arbeit geht. Routine spart Energie, die man für etwas anders verwenden kann.
Aber wer schon damit beginnt, dass jede Veränderung immer auf Widerstand stoßen wird, der baut sich eine selbsterfüllende Prophezeiung. Warum eigentlich? Wenn irgendwo Stau ist, dann nehmen wir halt die Nebenstrecke und kommen trotzdem ins Büro. Mit Begeisterung werden (gerade zu den Feiertagen) immer neue elektronische Geräte gekauft und eingerichtet. Da klappt das doch mit dem digitalen Wandel!
Wie Sie es richtig machen
Gehen Sie doch einfach davon aus, das es klappen wird. Dass das alles gar nicht schlimm ist und man es jetzt einfach mal angeht. Das erste Hindernis ist immer im eigenen Kopf.
Die Wahrheit über Change
Scott Adams, der Vater des Comics Dilbert geht davon aus, dass „Change Management“ eine Erfindung bettelnder Berater ist, die um Wechselgeld (engl. „change“) fragen. Aber den Wandel an sich gab es schon immer – und wir müssen uns ihm anpassen. Dabei gibt es drei Anreize, unser Verhalten zu verändern. Aber nur die dritte Form bringt uns dazu, konsequent und nachhaltig zu handeln.
- Fakten
Fakten füttern den Geist. Aber ins Handeln kommen wir immer erst, wenn wir damit auch Gefühle verbinden. - Zwang
Angst und Druck von außen bringen uns in Bewegung. Aber nachhaltig ist das nicht, ist der Druck weg, hören wir auf, uns zu bewegen. Und menschenfreundlich ist das auch nicht. - Eigeninteresse
Erst sobald wir spüren (nicht: wissen!), dass etwas unmittelbar gut für uns selbst ist, machen wir es auch. Gesundes Eigeninteresse ist das einzige Motiv, das uns auch langfristig ins Tun bringt.
Ist doch gar nicht so schwer, oder? Ob diese Gefühle jetzt Neugier, Gemeinschaft, Bestätigung oder etwas Anderes sind: Wir handeln immer nur, wenn es gut und wichtig für uns ist. Also beantworten Sie Ihren Mitarbeitern die legitime Frage „Was hat das mit mir zu tun?“
Dazu brauchen wir übrigens meist keine Change Manager, die uns während der „bösen“ Veränderung die Hand halten. Sondern jemanden, der uns einfach wie Erwachsene behandelt.
Der geheime Schlüssel: Respekt
Change Management kann vieles falsch machen. Zum Beispiel sich so zu verhalten, dass die betroffenen Mitarbeiter einen nicht ernst nehmen. Wenn Sie einem Ingenieur vom notwendigen Wandel erzählen, dann traut er Ihnen eher, wenn Sie zumindest ein grundlegendes technisches Verständnis für seinen Job haben. Einem Techniker müssen Sie auch nicht zuerst mit Gefühlen und der inneren Mitte kommen, der hat ganz andere Fragen. Respekt bedeutet, dass Sie sich nicht als Vater- oder Mutterfigur aufspielen, sondern dem anderen auf Augenhöhe begegnen.
Respekt bedeutet auch, dass Sie die Fragen des Gegenübers ernst nehmen. Was soll ein Ingenieur mit Fehlerkultur anfangen, wenn von seiner Arbeit Menschenleben abhängen? „Der Reaktor ist zwar geschmolzen, aber wir haben viel gelernt?“ Nehmen Sie Ihr Gegenüber ernst und zeigen Sie aufrichtiges Interesse. Dann kommen Sie in Gesprächen auch weiter.
Fazit: Erfolgreiche Digitale Transformation
Also: Digitale Transformation ist gar kein Projekt, sondern eine Haltung. Wir werden in Zukunft einfach flexibler und digitaler sein. Es geht um Menschen, nicht um Technik. Veränderung muss nicht schwer sein. Sie passiert, wenn es in unserem Interesse ist.
Einfach, oder?
Best of Web
Gestaltungsfeld „Agile Führungs- und Organisationsmodelle“ –
ein Vortrag von Harald Schirmer
Hinter diesem sehr umständlichen Titel verbirgt sich eine treffsichere Analyse von Change-Prozessen in Unternehmen und häufigen Stolpersteinen. Ein Beispiel ist der technische Wechsel auf Software in der Cloud. Die ist dann immer up to date, aber das bedeutet natürlich auch ständige Änderungen. Dieser einfache technische Wandel zieht zuvor ungeahnte Konsequenzen für das Personal nach sich – das kostet Nerven in der Kommunikation, es müssen plötzlich regelmäßige Trainings angeboten (und wahrgenommen) werden, die Dokumentation muss aktuell gehalten werden… So eine kleine Änderung hat echt einen Preis. Besonders wichtig ist Harald Schirmer, wie mit Wandel und Widerstand umgegangen wird. Ungewöhnliche Ideen entstehen bei ihm in Workshops, in denen mutwillig Regeln gebrochen werden und das Wort „aber“ nicht erlaubt ist.
Change ist so wie Milch in Kaffee geben
Nils Pflaeging beschreibt Change mit Milch im Kaffee – ein Tropfen und alles ist anders, es gibt keinen Weg zurück. Er liefert fünf Konzepte, die Change schwungvoll und lebendig machen – anstatt eine träge Quälerei entstehen zu lassen. Dahinter steht die Einsicht, dass Widerstand eine vernünftige Reaktion ist. Auf schlechte Methoden oder Widersprüche zwischen Worten und Taten. Die Veränderung selbst ist nicht das Problem – wenn Sie auf viel Widerstand stoßen, fragen Sie sich lieber, ob Ihre Methoden die richtigen sind und ob Sie Ihre Mitarbeiter ernst genug nehmen.
Unternehmen nehmen Geld für die Digitalisierung in die Hand
Eine Studie über den Fortschritt des digitalen Wandels in Unternehmen deckte eine meiner Meinung nach entscheidende Sache auf: Die Unternehmen kümmern sich zu wenig um ihre Mitarbeiter. Die „Aversion von Mitarbeitern gegen Veränderungen“ wird mit 42% als größtes Hindernis beim digitalen Wandel angegeben. Aber wenn man sich einmal die Verteilung des Budgets für die Change-Prozesse ansieht, werden viele Millionen in Software, Big Data Tools oder schicke Internet of Things-Anwendungen gesteckt. Doch der Punkt „Mitarbeiter auf die Veränderung vorbereiten“ taucht in der Investitionsliste gar nicht auf. Tja.