Kennen Sie das? Wie jedes Jahr planen Sie eine große Veranstaltung, bei der Sie den Vorstand und die ersten beiden Führungsebenen auf Strategie und Zukunft einstimmen. Sie haben an alles gedacht: Eine schöne Location, gutes Essen und ein, zwei gute Redner, die etwas Abwechslung zu all den Folien und Präsentationen bieten.
Das Programm steht: Erst sagt der Vorstandsvorsitzende etwas, dann kommt eine Keynote. Breakout-Sessions mit verschiedenen Themen, Gruppenarbeit, Ergebnisse besprechen im Plenum und zum Schluss eine Podiumsdiskussion. Danach hat sich jeder sein Bier verdient und man geht zum geselligen Teil über. Am Ende haben alle gut genetzwerkt, sich gut unterhalten und sinken selig in die Betten. Ein toller Tag!
Das war jetzt nix: Gründe für einen gescheiterten Strategietag
Hand aufs Herz: Wie sieht es ein, zwei Wochen später aus im Unternehmen? Hat sich etwas geändert? Oder erzählt man sich nur, was der Meier nachts um halb zwei mit dem Lampenschirm und den beiden Weinflaschen gemacht hat? Wenn diese Anekdote alles ist was bleibt, dann war Ihr Tag eine üble Verschwendung von Ressourcen. Und leider passiert das viel zu oft.
Dieses traurige Ergebnis hat immer dieselben Gründe:
Zu viel Form, zu wenig Inhalt bei Ihrem Strategie-Event
Sie planen Ihre Tagung „wie immer“. Statt sich zu fragen, was beim letzten Mal gut oder schlecht lief und wie man es diesmal besser macht, kommen Sie mit dem seit Jahren „bewährten Aufbau“. Sie verwenden viel Zeit für die Wahl des richtigen Umfelds, aber inhaltlich ist Ihre größte Sorge, wie Sie all die vielen Redner unterbringen sollen. Denn jeder soll und will ja etwas sagen – am liebsten ausführlich und mit einer Menge überfüllter Folien.
Man sieht sich ja nur einmal im Jahr, deswegen platzt die Agenda aus allen Nähten. Schon jetzt wissen Sie, dass der Vorstandsvorsitzende seine Redezeit gnadenlos überziehen wird. Aber er ist halt der Chef – egal, dass er damit das Programm für die hundert Teilnehmer einfach über den Haufen wirft.
In den Pausen klumpt zusammen, wer sich schon kennt, ebenso in den Workshops. Die Podiums-„Diskussion“ zum Abschluss besteht darin, dass jeder einmal das Mikrophon bekommt und ein paar kluge Sätze sagt – von Austausch und Diskurs keine Spur.
Damit haben Sie ein Programm mit allen gängigen Bausteinen, aber so richtig etwas Ganzes wird da nicht draus.
Es fehlt vor allem eines: Das klare Ziel.
Das Ziel ist im Weg – wozu den Strategietag?
Wozu machen Sie den ganzen Aufwand eigentlich? Weil es das jedes Jahr gibt und halt dazu gehört?
Zu oft ist nicht klar, was danach wirklich anders sein soll. Bessere Vernetzung der Kollegen, Übersicht über das letzte und das kommende Jahr, Weiterbildung? Diskussionen, Klären von Fragen, Vergleiche, gemeinsame Planung?
Es gibt eine ganze Menge möglicher Ziele – aber für viele davon ist so ein Tag der schlechtest-mögliche Rahmen. Die Jahreszahlen vorlesen kann der Vorstand auch auf Video. Weiterbildung macht man effizienter und schneller zu Hause oder am Arbeitsplatz. Und wenn jeder nur mit denen plaudert die er eh schon kennt, ist das viel beschworene Networking auch nicht viel wert.
Klären Sie die Ziele und prüfen Sie ganz genau, was davon zu so einem Tag passt. Lohnend ist er nur für Themen, für die man wirklich live beieinander sein muss.
Langwierige Reden und kein Gespür fürs Publikum
Über den weitschweifigen Vorstand habe ich mich schon geäußert. Aber warum sind die ganzen Präsentationen immer so entsetzlich schlecht? Wollen Sie Ihre Zuhörer wirklich quälen? Im Grunde gibt es nur drei Formen der Präsentation, die alle auf ihre Weise schrecklich sind:
- Der bezahlte Redner
Er hat nackt die Alpen überquert oder sich nach schweren Schicksalsschlägen zum Millionär gekämpft. Er bringt uns uralte Lebensweisheiten oder modernste Hirnforschung: Ein guter Redner ist (hoffentlich) unterhaltend. Aber was seine Geschichte mit dem Event, der Firma oder dem Zuhörer zu tun hat, bleibt unklar. „Dafür braucht man Mut, und den brauchen wir auch!“ ist oft das höchste der Gefühle. - Der Fachvortrag
In der Nacht davor wurde noch fieberhaft an den letzten Folien gebastelt – die dann entsprechend aussehen: Hässlich, unsortiert und völlig überladen. „Vortrag“ bedeutet dann: Betreutes Lesen. Der Referent liest vor, was jeder schon gesehen hat, am liebsten mit dem Rücken zum Publikum. Kein roter Faden, nie geprobt und voller Ähs und Hmms. Kein Spaß, weder für den Redner noch das Publikum. - Die gestylte Präse
Andere geben sich da mehr Mühe, basteln mit professioneller Hilfe an schicken Folien und haben vielleicht sogar mal über den roten Faden nachgedacht. Nur haben die Designer nicht so ganz begriffen, was eigentlich wichtig ist. Der Referent hat sich in die Folien verliebt, findet aber keinen Kontakt zum Publikum, das langsam aber sicher mit Steve Jobs Zitaten vergiftet wird („Stay hungry! Stay foolish!“) Eigentlich will er nur gelobt werden für seinen Fleiß. Wenn dabei noch ein geiles Bild für Facebook bei rausspringt ist sein Ziel erreicht.
Leider machen sich alle drei Typen viele Gedanken darüber, was sie sagen wollen, aber keine darüber, was das Publikum davon hat. Was soll denn am Ende des Vortrags erreicht sein? Und wie passt dieser Beitrag in das Konzept des ganzen Tages? Was nehmen die Zuhörer mit? Fakten sind für den Geist, aber Handeln entsteht aus dem Bauch – also braucht ein Vortrag Emotionen!
Der Tellerrand ist zu weit weg
Wenn jeder Redner über sein eigenes Thema spricht, die ganze Veranstaltung nur mit „uns“ zu tun hat – woher kommen dann eigentlich die neuen Ideen? Der frische Wind, die Frage nach dem Sinn? Wenn Sie auf der Strategietagung nicht diskutiert, vielleicht auch mal gestritten haben, haben Sie Ihre Chance vertan, in Bewegung zu kommen.
Der Tag ist nicht genug – es fehlt an Vor- und Nachbereitung des Events
Warum wird eigentlich in der Vorbereitung nie gefragt, was die Teilnehmer erwarten? Was deren Fragen und Bedürfnisse sind? Was sie sich von dem Tag wünschen? Solche Events könnten viel effizienter sein, wenn im Vorfeld gemeinsam (!) geplant wird, wie man die Ziele am besten erreicht.
Ebenso trübe ist das Follow-up. Eine Bildergalerie und „Schön war‘s!“ sind nicht genug. Der Tag soll doch Neues beginnen. Dann sollten die Teilnehmer auch mitkriegen, was nach dem Tag passiert: Was ist aus den Ideen geworden? Welche Projekte werden umgesetzt? (Und was ist mit Meier und dem Lampenschirm passiert?) Professionelle Nachbereitung und Kommunikation sind notwendig, wenn die Impulse aus dem Strategietag bis in den Alltag der Teilnehmer reichen sollen.
So machen Sie Ihren Strategietag zum Erfolg
So, genug geschimpft. Wir alle waren schon auf solchen Veranstaltungen, die nett, aber irgendwie nicht wirklich fruchtbar waren. Dabei ist es gar nicht so schwer, etwas deutlich Besseres daraus zu machen!
Hier die 5 Tipps, mit denen Ihr nächstes Strategie-Event inhaltlich weit mehr bewegt.
1. Legen Sie ein Ziel fest
Einigen Sie sich auf ein bis zwei Punkte, die nach dem Event anders sein sollen als vorher. Im Unternehmen, bei Ihren Mitarbeitern, in der Kommunikation. Richten Sie anschließend alle Bausteine Ihrer Strategietagung konsequent an diesem Ziel aus.
2. Wählen Sie passende Formate
Haben Sie keine Scheu, neue Tagungskonzepte auszuprobieren. Je nach Ziel kann die übliche frontale Berieselung durch Redner der völlig falsche Weg sein. Es gibt unendlich viele interaktive Formate, bei denen die Inhalte viel besser in den Köpfen Ihrer Mitarbeiter hängen bleiben. Weil sie selbst an der Erarbeitung von Lösungen beteiligt waren. Weil sie gleichberechtigt mit Rednern und Vorständen über die neue Strategie diskutiert haben. Weil sie interessiert sind, was anschließend aus ihren Ideen geworden ist.
3. Nehmen Sie sich genug Zeit für die Planung
Auch wenn Sie schon hundert Firmenevents organisiert haben – wenn es anders werden soll als sonst, erfordert das zusätzlichen Aufwand. Planen Sie lieber von langer Hand, anstatt wichtige Dinge dem Zufall zu überlassen. So oder so werden Sie kurzfristig improvisieren müssen, weil im letzten Moment immer jemand abspringt, die Getränkelieferung nicht kommt oder sonstige Schicksalsschläge warten. Halten Sie sich dafür Kapazitäten frei.
4. Rehearsal! Üben! Coaching!
Zur gründlichen Planung gehört auch, die Präsentationen frühzeitig einzusammeln. So gibt es auch keine Last-Minute-Powerpoint-Pannen. Zusätzlich können Sie Rednern aus den eigenen Reihen anbieten, sich den Vortrag im Vorfeld einmal anzuhören. Und wo nötig ehrliches und konstruktives Feedback geben. So werden Zeitüberschreitungen auf ein Minimum reduziert und der Redner gewinnt Selbstsicherheit. Denn dank Ihrem Feedback weiß er, was beim Publikum ankommt und welche Folien nur Stirnrunzeln hinterlassen. Ja, das kostet Zeit: Aber lieber eine Stunde mehr üben als 100 Menschen eine Stunde unnötig langweilen!
5. Schön war’s: Vor- und Nachbereitung
So, und was hat uns das Ganze nun gebracht? Erstellen Sie direkt im Anschluss an die Veranstaltung eine kurze, griffige Zusammenfassung der erarbeiteten Ergebnisse. Die Betonung liegt hier auf „kurz“, „griffig“ und „Ergebnisse“. Diese versenden Sie den Teilnehmern spätestens zwei Wochen nach dem Strategietag. So haben Ihre Mitarbeiter noch einmal schwarz auf weiß, was sich nun geändert hat – und wie sie das ab sofort anwenden.
Gut ist es, wenn die Ergebnisse einen direkten Bezug zum Input der Mitarbeiter vor dem Event haben. Für diesen Rahmen bitten Sie alle Beteiligten, ihre Anregungen, drängenden Probleme und sonstigen Gesprächsbedarf einzubringen. Natürlich sind diese abhängig vom bereits festgelegten Thema des Strategie-Events, aber so sorgen Sie für Relevanz – und damit Interesse des Publikums.
(Anregungen wie „wir sollten Meier diesmal wirklich keinen Alkohol geben“, müssen nur bedingt beachtet werden.)
Viel Erfolg bei Ihrem nächsten Strategie-Tag!
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